Vor zehn Jahren gab es bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland einen Neustart: Der Bundestag setzte eine Kommission ein, die Kriterien für ein Suchverfahren auf einer “weißen Landkarte” ausarbeiten sollte. Der Weg ist noch weit.
Nach rein geologischen Kriterien den besten Standort für das deutsche Atommüll-Endlager finden, das war der Auftrag. Die Endlager-Kommission lieferte zwei Jahre, nachdem sie vor zehn Jahren damit beauftragt worden war, eine Reihe von Kriterien, nach denen die Auswahl dieses Standorts stattfinden soll. Die Vorgaben sind anspruchsvoll: Neubeginn der Suche auf einer “weißen Landkarte”, und die Suche nicht nur nach einem geeigneten, sondern nach dem am besten geeigneten Standort. Sichere Aufbewahrung für eine Million Jahre. Das heißt: Prinzipiell muss die damit beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ganz Deutschland absuchen.
Das dauert. 2031 sollte – laut Standortauswahlgesetz – der Standort für das Endlager eigentlich feststehen. Doch schon während der Arbeit der Endlagerkommission nannten das viele illusorisch. Inzwischen ist der Zeitplan auch offiziell gesprengt. Frühestens Ende der 2040er Jahre, vielleicht aber auch noch zwanzig Jahre später, kann erst der Endlager-Standort feststehen, schätzt die BGE. Das kann bedeuten: Ein funktionsfähiges Endlager hat Deutschland erst im nächsten Jahrhundert.
Eva Bayreuther organisiert die Bürgerbeteiligung an der Endlagersuche mit, sie arbeitet für eine Koordinierungsstelle, mit der sich die oberfränkischen Landkreise in das Verfahren einschalten. Sie findet den unklaren Zeitplan problematisch: “Die Zahlen, wann das Endlager gefunden sein soll, schwanken ja teilweise 60 Jahre rauf und runter. Deshalb würde ich sagen, wir konzentrieren uns auf das Naheliegende, und das sind die kommenden fünf Jahre.”
In den kommenden fünf Jahren nämlich will die BGE für die Endlagerung ungeeignete Gebiete nach und nach ausschließen. So soll die Suchfläche für das Endlager von jetzt noch 54 Prozent des Bundesgebiets auf wahrscheinlich unter ein Prozent eingegrenzt werden. Nur eine Handvoll Regionen bleibt dann übrig.
Für die bayerische Staatsregierung allerdings war ohnehin stets klar: Der geeignetste Standort für ein Endlager auf deutschem Boden wird auf keinen Fall in Bayern sein. CSU und Freie Wähler haben das auch bereits zwei Mal in ihren Koalitionsverträgen festgeschrieben: “Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geologisch geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.” Diese politische Ansicht untermauert die Staatsregierung allerdings auch mit wissenschaftlichen Argumenten. Das Granitgestein, welches in Bayern den Großteil der Suchfläche für das Endlager ausmacht, ist zerklüftet. Um Atommüll darin sicher einzuschließen, braucht es – anders als beispielsweise im Salz – zusätzliche menschengemachte Barrieren. Und hier hat Bayern in einem Sondervotum zum Abschlussbericht der Endlagerkommission deutlich gemacht: “Ein Endlager, dessen Sicherheit über eine Million Jahre auf technischen Barrieren beruhen soll, kann nicht die bestmögliche Sicherheit darstellen.”
Diese bayerische Haltung kommt vor allem in Norddeutschland nicht gut an. Denn dort sind Salz- und Tonformationen verbreitet – die Alternativen zum Granit als sogenanntes “Wirtsgestein” für ein Endlager. Den norddeutschen Ländern war es deshalb wichtig, dass der Granit gleichberechtigt mit untersucht wird.
Und so sind – Stand heute – zwei Drittel Bayerns noch immer offiziell im Rennen für das Endlager – fast alle Regionen nördlich der Donau. Was sich aber bald ändern könnte, betont Eva Bayreuther, denn ab Herbst dieses Jahres wird die BGE jährlich neue Zwischenstände der Endlagersuche veröffentlichen, und dabei ungeeignete Gebiete ausschließen. “Dann wird sich die Landkarte verändern”, betont Bayreuther – zum ersten Mal seit der Vorstellung des “Zwischenberichts Teilgebiete” im September 2020. Dass alle bayerischen Regionen schon in der ersten Phase der Suche, bis Ende dieses Jahrzehnts, ausscheiden werden – wie sich das die Staatsregierung wünscht – gilt jedoch als eher unwahrscheinlich.