Die Atomkraft verliert weiter an Bedeutung. Ihr Anteil an der globalen Stromproduktion sinkt stark, wie ein Bericht zeigt. Und sie ist teurer als andere Energiequellen.
Frankfurt – Die Atomkraft soll helfen, das Klima zu retten. Das hat eine neue Allianz von 22 Staaten auf dem UN-Klimagipfel in Dubai als Ziel ausgegeben, darunter die USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich. Die aktuelle Entwicklung dieses Energieträgers steht in starkem Kontrast dazu: Mitte 2023 waren weltweit 407 Reaktoren am Netz, vier weniger als ein Jahr zuvor und 31 weniger als der Höchststand von 438 im Jahr 2002. Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromerzeugung sank 2022 sogar auf den niedrigsten Stand seit rund vier Jahrzehnten, wie der am Mittwoch (6. Dezember) veröffentlichte unabhängige „World Nuclear Industry Status Report 2023“ zeigt. Die erneuerbaren Energien haben die Atomkraft beim Zubau weit abgehängt.
Atomkraft-Produktion geht zurück – Anteil nur noch bei 9,2 Prozent
Die globale Atomkraft-Produktion ging laut dem Bericht 2022 um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Es war der stärkste Rückgang seit dem Nach-Fukushima-Jahr 2012, als Japan wegen des dortigen Super-GAUs alle Reaktoren vom Netz genommen hatte. Produziert wurden 2546 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden). Der Anteil an der weltweiten Stromproduktion betrug damit nur noch 9,2 Prozent. Zum Vergleich: Der Höchststand war 1996 mit 17,5 Prozent erreicht worden. Der aktuelle Anteil – an der inzwischen angestiegenen Gesamtelektrizitätsproduktion – ist also nur noch gut halb so hoch.
Die Bilanz des Reports für die vergangenen zwei Jahrzehnte zeigt: Vor allem China sorgte dafür, dass der Atomkraft-Anteil nicht noch viel stärker abgestürzt ist. In den Jahren 2003 bis 2022 gab es danach nämlich weltweit 99 Inbetriebnahmen von Reaktoren und 105 Stilllegungen, wobei China alleine für 49 Reaktor-Neustarts verantwortlich war. Im Rest der Welt verzeichnet die Analyse einen Rückgang um netto 55 AKW-Einheiten und der Stromkapazität um 24 Gigawatt, was rund 16 großen Reaktoren vom Typ Biblis entspricht.
Die Kernenergie gerät laut der Analyse zunehmend unter Druck, da vor allem die erneuerbaren Energien Strom im Schnitt billiger produzieren können – sogar inklusive der notwendigen Maßnahmen zum Ausgleich der schwankenden Einspeisung von Windkraft und Solarenergie. Der Report rechnet am Beispiel der USA vor: „Wenn man zu den nicht subventionierten Solar- und Windenergieanlagen in den USA mit Gesamtkosten von 45 bis 130 US-Dollar pro Megawattstunde die schnell sinkenden Kosten für den Netzausgleich (zum Beispiel für die Speicherung oder den zusätzlichen Strombezug) hinzurechnet, sind diese immer noch billiger als neue Kernkraftwerke mit durchschnittlichen 180 US-Dollar pro Megawattstunde.“
AKW-Bauprojekte mit öffentlichen Mitteln
Der Bericht verweist darauf, dass die weltweiten Investitionen in Ökostrom-Anlagen (ohne Wasserkraft) 2022 einen neuen Rekord von 495 Milliarden Dollar erreichten, was dem 14-fachen der gemeldeten Investitionsentscheidungen für den Bau von AKW entspreche. „Wind- und Solaranlagen allein erzeugten 28 Prozent mehr Strom als Kernkraftwerke und erreichten einen Anteil von 11,7 Prozent an der Stromerzeugung, während der Anteil der Kernkraft auf 9,2 Prozent sank.“
Fast alle aktuell laufenden AKW-Bauprojekte würden daher von öffentlichen Unternehmen durchgeführt und/oder mit öffentlichen Mitteln finanziert. Zudem befänden sich etwa 45 Prozent der weltweiten Kernkraftkapazitäten bereits vollständig in staatlichem Besitz. Der Neubau sei nur mit „massiven Subventionen“ machbar, so der Report. Für die USA, das Land mit der aktuell höchsten Atomstrom-Produktion, werden sie danach auf rund 30 Milliarden Dollar bis 2032 geschätzt.
Zu den Plänen für kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR), die von Atomkraft-Verfechtern als Chance zur Renaissance dieser Energieform gesehen werden, heißt es in dem Bericht: „Die Aktualisierung für 2023 lässt keine großen Fortschritte erkennen. In der westlichen Welt befindet sich keine Anlage im Bau, und kein Reaktortyp wurde vollständig für den Bau zertifiziert.“
Quelle: Frankfurter Rundschau