Ende September 2020 veröffentlicht die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die mit der Standortsuche betraut ist, ihren “Zwischenbericht Teilgebiete”.
- Einem Insider zufolge will der BGE offenbar auch Regionen in Bayern als mögliche Standorte nennen, von denen bisher keiner dachte, dass sie in Frage kommen könnten.
- In Expertenkreisen heißt es, dass es im Prinzip alle Regionen nördlich der Donau treffen könnte.
Seit 18 Jahren ist Martin Behringer (Freie Wähler) Bürgermeister von Thurmansbang (Landkreis Freyung-Grafenau). In all der Zeit ist er immer wieder mit der Idee konfrontiert worden, dass das Endlager für die hochradioaktiven Abfälle aus den Atomkraftwerken in Bayern und Deutschland doch im Bayerischen Wald errichtet werden könnte. Etwa im Mai 2011, als die damalige Bundesregierung nicht nur den endgültigen Atomausstieg beschlossen hat. Sondern auch die Suche nach dem Endlager-Standort neu gestartet hat. “Damit wird automatisch wieder der Saldenburger Granit hier bei uns auf der Liste stehen”, sorgte sich Behringer damals. Demnächst dürften sich die Befürchtungen des Rathauschefs bestätigen.
Ende September 2020 veröffentlicht die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die mit der Standortsuche betraut ist, ihren “Zwischenbericht Teilgebiete”. Der Bericht wird große Aufregung hervorrufen, sagt ein Insider, der anonym bleiben will. Der Grund seiner Einschätzung: Die BGE will offenbar nicht nur alle bayerischen Gebiete als mögliche Standorte benennen, die wie der Bayerische Wald oder das Fichtelgebirge schon bisher immer wieder in der Diskussion aufgetaucht sind. Sondern auch Regionen, von denen bisher keiner dachte, dass sie in Frage kommen könnten. In Expertenkreisen heißt es, dass es im Prinzip alle Regionen nördlich der Donau treffen könnte. Das ist erstaunlich. Denn es gehört zum Credo eines jeden bayerischen Umweltministers, dass es in Bayern keine Region gibt, die für ein Endlager in Frage kommt. Im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern heißt es denn auch klipp und klar: “Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.”
Viele Jahre konnte sich die Staatsregierung zu Recht auf der sicheren Seite fühlen. Und zwar auch beim Granit, der mit Salz und Ton zu den drei Gesteinsarten zählt, die für ein Endlager in Frage kommen. Der Granit im Bayerischen Wald bis hinauf ins Fichtelgebirge ist stark zerklüftet und wasserdurchlässig, argumentierte die Staatsregierung stets unter Berufung auf die Geologen am Landesamt für Umwelt. Damit werde die Mindestanforderung nicht erfüllt, dass das Gestein für das Endlager absolut wasserdicht sein muss. Die Mindestvorgabe nach absoluter Dichtigkeit des Gesteins für das Endlager existiert natürlich nach wie vor. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) formuliert sie gleich als erstes von fünf K.-o.-Kriterien.
Allerdings gibt es inzwischen eine Sonderregelung für Granit, die es früher nicht gab. Sie kam erst 2017 in das StandAG, und zwar mit Billigung der CSU. Denn die Staatsregierung hat ihr bei der Behandlung des StandAG im Bundesrat nicht widersprochen.
Nach der neuen Sonderregelung kann nun auch Gestein für das Endlager in Frage kommen, das nicht absolut wasserdicht ist. Voraussetzung ist, dass sich die Dichtigkeit mit “technischen oder geotechnischen Barrieren” herstellen lässt, wie es im StandAG heißt. Mit “technischen Barrieren” sind Experten zufolge zum Beispiel stärkere Behälter für die hoch radioaktiven Abfälle gemeint, mit “geotechnischen Barrieren” das Auffüllen der Gesteinskammern, in denen die Behälter eingelagert werden, mit wasserundurchlässigem Material.
Quelle: Suedeutsche Zeitung